Sechs Frauenschicksale
Im folgenden stellen wir euch sechs Frauen vor. Sie repräsentieren
das Bürgertum. Einige von ihnen waren in der Wohlfahrt tätig,
andere im Wirtschaftsleben aktiv. Selma Graf gehörte zu den ersten
Frauen, die eine universitäre Ausbildung absolvierte.
Betty Goldschmidt (1853-1913)
geb. Kronacher
Sohn: Richard
Töchter: Berta, Olga, Paula, Meta, Selma, Alice und Jenny
Julie Tietz (1853-1930)
geb. Julie Baumann in Birnbaum
verheiratet mit Markus Tietz (ges. 1901), ebenfalls geb. in Birnbaum
Töchter: Antonie Ephraim geb. 1877, Ella geb. 1881
- Marcus Tietz leitete zunächst die Warenhausfiliale
in Prenzlau
- Marcus und Julie Tietz gründeten das Warenhaus "H
& C Tietz" 1886 in der Hauptwachstraße 14 in Bamberg
- 1901 starb Marcus Tietz
- Julie Tietz übernahm die Geschäftsführung
- 1910 wurde das neue Warenhaus am Maxplatz eröffnet
- Julie Tietz engagierte sich im sozialen Bereich, z. B.
finanzierte sie wie Clara Lessing und Emma Hellmann in den Jahren 1912
- 1914 die Verpflegung je eines Kindes in den Bamberger Ferienkolonien
- 1919 trat Julie Tietz in den Ruhestand und zog nach Frankfurt
am Main
- Ende 1939 wurde "H
& C Tietz" geschlossen
Clara Lessing (1858-1938)
geb. Strauß
verheiratet mit Simon Lessing
Söhne: Rudolf und Willy Lessing
- 1905 Mitgründerin des "Vereins Frauenwohl", 1919
und 1930 als Vorsitzende
- betätigte
sich im Sinne der Wohlfahrtspflege und des öffentlichen Lebens
- ihr Gatte Simon Lessing starb 1903, danach widmete sie
sich ausschließlich dem caritativen Werk
- die Niederbronner Schwestern verdanken ihr das Entstehen
eines eigenen Heimes und den Neubau eines Kinderheimes, sie gründete
auch noch ein Mädchenheim
- im
Jahre 1916 wurde sie in den Armenrat der Stadt Bamberg gewählt
- sie
starb im März 1938, zehn Monate vor ihrem am 9./10. November von Nazi-Schergen
tödlich verletzten Sohn Willy
Emma Hellmann (1867-1942)
geb. Goldschmitt
am 22.07.1867 in Verona geboren
verheiratet mit dem Bankier Hermann Hellmann
Sohn: Otto Silvio Hellmann
Tochter: Elsa Hellmann
24.09.1942 in Minsk (Treblinka) ermordet
- 1889 dem Bayerischen Frauen-Verein Oberfranken
und dem Zweigverein Bamberg/Stadt beigetreten
- gehörte zwischen 1912 und 1914
zu den Förderinnen des Vereins für Ferienkolonien
- stiftete 1915 den "Eisernen Ritter"
- Bamberger Tagblatt stellt sie als "eine
auf dem Gebiete der Wohltätigkeit bekannte Dame" vor
- verzog 1932 von Bamberg nach Frankfurt
am Main
- 1942 von Nazis in Minsk ermordet
- Ihr Sohn Otto Silvio Hellmann war ebenfalls
Bankier, flüchtete 1933 mit Ehefrau nach England
- Ihre Tochter Elsa überlebte den Holocaust in
einem Versteck in Holland
Minna Barthel (1871-1941)
geb. Dresner
am 07.06.1871 in Przemysl geboren
Eltern: Paul und Zibora Dresner
vereiratet mit Paul Barthel
- Minna Barthels Eltern ermöglichten ihr eine Ausbildung
zur Schauspielerin, sie ging dieser Tätigkeit am Deutschen Theater
in Berlin nach
- mit 29 Jahren ehelichte sie in London den Kunstmaler Paul
Barthel
- auf einer Fahrt nach München kamen sie zum ersten
mal mit Bamberg und ihrem späteren Zuhause, dem Böttingerhaus,
in Kontakt
- das Ehepaar Barthel mietete sich am 1.Oktober.1918 in das
Böttingerhaus ein, da es einen so tiefen Eindruck bei ihnen hinterließ
- am 7.August 1933 verstarb Paul Barthel, daraufhin verkaufte
die jüdische Witwe das Böttingerhaus an die Stadt Bamberg
- an Minna Barthel erging am 17. Dezember 1938 wegen Staatsverleumdung
und Übertretung des § 131/II der Strafprozessordnung ein Strafbefehl
des Amtsgerichts Bamberg zu einer Zahlung von 80 Mark oder 20 Tage Haft
- Minna Barthel wurde ein Opfer der nationalsozialistischen
Weltanschauung: Sie wurde am 27.11.1941 aus Bamberg nach Riga Jungfernhof
deportiert
- am 31.12.1945 wurde Minna Barthel für tot erklärt
Dr. Selma Graf (1887-1942)
Eltern: Samuel Reichold, Klothilde Lazar
verheiratet mit dem katholischen Apotheker Konrad Graf
- Selma Graf besuchte die Städtische
Höhere Mädchenschule in Nürnberg und war Gymnasialabsolventin
- sie studierte sechs Semester Medizin
in Erlangen, danach ging sie für ein Semester nach München und
studierte anschließend drei Semester wieder in Erlangen und legte
dort im Februar 1913 Vorprüfung und Staatsexamen ab
- 1913 - praktisches Jahr an der Erlanger Universitätsfrauenklink
- ihre Dissertation schrieb sie "Über
die Adrenalinanämie in der Schwangerschaft"
- die mündliche Promotionsprüfung
absolvierte sie am 05./07. Juni 1913
- am 15. Juni 1914 erhielt sie die offizielle
Promotionsurkunde
- Selma Graf gehörte zu einer der
ersten Medizinstudentinnen an der Erlanger Friedrich Alexander Universität
- am 10. Mai 1913 heiratet sie Konrad
Graf
- Selma Graf konvertierte zum Katholizismus
- ab 27. Juni 1914 arbeitet Dr. Selma
Graf in Bamberg als praktische Ärztin für Frauen- und Kinderheilkunde
- im Juli 1938 wurde Selma Graf wegen
des Vorwurfs "gefährliche und volkszerstörenden Verbrechens der Abtreibung"
verhaftet worden
im Prozess wurde das angebliche Verhalten von Slema Graf als typisch jüdisch
dargestellt
- das Schwurgericht Bamberg verurteilte
die "jüdische" Ärztin nach dreitägiger Verhandlung wegen vollendeter
gewerbsmäßiger Abreibung, versuchter gewerbsmäßiger Abtreibung und Beschaffung
von Abtreibungsmitteln in zahlereichen Fällen zu einer Gesamtstrafe von
sieben Jahren Zuchthaus, sowie Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte
auf die gleiche Zeit
- 1939 bis 1942 verbrachte Selma Graf
im Zuchthaus Aichach
- Anfang Dezember 1942 wurde sie nach
Auschwitz verschleppt und verstarb dort angeblich an Grippe
Autorinnen: Barbara Daut, Maike Hummel, Fanya Kloss,
Kristina Vogel, Diana Würstlein
Quellen:
Fichtl, Franz, Link, Stephan, May, Herbert, Schaible, Sylvia: Bambergs Wirtschaft
Judenfrei, Collibri Verlag Bamberg 199
Franger, Gaby: "Regelstörung" - Der Weg der jüdischen
Frauenärztin Dr. Selma Graf nach Auschwitz, Frauen in der Einen Welt,
Zeitschrift für interkulturelle Frauenalltagsforschung 2/2003, iko-Verlag
Grimm, Claus: Geschichte und Kultur der Juden in Bayern, Aufsätze,
Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur, Nr. 17/88
Hering, Sabine (Hrsg.): Jüdische Wohlfahrt im
Spiegel von Biographien, 2007
Lang, Susanne: Jüdische Frauen in Franken, unveröffentlichte Magisterarbeit
(Volkskunde), 2003
Loebl, Herbert: Juden in Bamberg, Verlag Fränkischer Tag