Das Bamberger Haingebiet


Haingebiet als Bauland

Weil das Haingebiet vor der Freigabe als Bauland von vielen kleineren Seitenarmen der Regnitz durchflossen wurde, trug es den Beinamen "Zu den sieben Flüssen". Es liegt, wie die Altstadt Bamberg, auf einer Insel, die im Osten vom rechten Regnitzarm begrenzt wird. Im Westen liegt der linke Regnitzarm, von dem wegen seines "ungeregelten Laufes" eine Hochwassergefahr ausging. Deshalb wurde er 1852/53 von der Hainspitze bis zu der Kettenbrücke begradigt. Dieser linke Regnitzarm soll angeblich im Mittelalter als Zwangsleistung von der damaligen Judengemeinde künstlich angelegt worden sein. Heute dient er zur Speisung vieler Mühlen in der Altstadt. Entlang dieses Regnitzarmes führte damals ein sehr wichtiger Weg nach Bug, den Stephan Freiherr von Stengel, der als Schöpfer des Theresienhains gilt, 1803 mit Linden und 1804 mit Pappeln bepflanzen ließ. Erst 1894 wurde der Hain mit den heute typischen Kastanien bepflanzt. Die Trockenlegung und somit auch der Ausbau des Haingebiets wurde insofern von der Anlage des Hainparks unterstützt, da die Bamberger die Idee hatten, ihre Häuser in die Natur zu verlegen. Wohnanlagen entstanden und es entwickelte sich das „Landhausleben“.


Haingebiet zur landwirtschaftlichen Nutzung

Anfangs wurde das Haingebiet landwirtschaftlich genutzt. Man unterscheidet zwischen Steinleinshöflein und dem Kaipershof, wobei zweitgenannter mehr Fläche besaß. Ende des 14. Jahrhunderts wurde der Kaipershof, damals Erlhof, zum ersten mal als bischöflicher Grundbesitz erwähnt. Den späteren Namen erhielt der Hof durch den angesehenen Bamberger Bürger Fritz Kaiper, der ab 1391 Besitzer ist.
1798 erwirbt der Jude Seeligmann Samuel Hesslein, der als Kaufmann am Hof arbeitete, den Kaipershof. Nach seinem Tod wurde seine Frau mit einem Geldbetrag entschädigt und das Besitzrecht am Kaipershof wurde auf seinen Bruder, Joseph Samuel Hesslein, dem Alleinerben übertragen. Dieser war Bankier und verpachtete den Kaipershof über zwei Jahrzehnte von den Behörden unbeanstandet. Im Jahre 1822 erwarb er zudem den sogenannten Peunt, ein Feldgut von 40 Tagwerk. 1832 musste er seinen Hof jedoch "losschlagen", da Juden laut dem Judenedikt entweder ihren Hof selbst bewirtschaften (wozu er wegen fehlender Vorkenntnisse nicht in der Lage war) oder ihn verkaufen mussten. Es gelang ihm nicht die Behörden zu überreden und somit musste er seinen Hof schließlich verkaufen. Da er weder die Zeit bekam den Hof zu einem anständigen Preis zu verkaufen noch die Erlaubnis ihn aufzuteilen,führte dies zum Untergang von einem der berühmtesten jüdischen Häuser in Bamberg.
Über den Nachlass Joseph Samuel Hessleins wurde nach seinem Tod am 28. September 1839 der Konkurs verhängt. Der Witwe Seeligmann Samuel Hessleins erging es nicht anders, auch deren Nachlass war überschuldet. 1841 erwirbt Friedrich von Vogel das Kaipershofschlösschen. Bis 1869 werden die Felder durch ein Netz von Wegen erschlossen. Der Kaipershof hatte auch die Funktion als „Keimzelle“ der Erschließung des Wohnviertels vom Schönleinsplatz bis zum Hain. Heutzutage ist die Hofstelle noch erhalten, die Bebauung mit modernen Appartementhäusern prägen das Bild.

Die Anlage der Hain- und Schützenstraße bis 1878

Gründe für den Ausbau des Haingebiets waren die geradezu explosionsartig ansteigende Bevölkerungszahl und die Industrialisierung, z.B. mechanische Baumwollspinnereien, in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts. Durch den Bau des Ludwig-Donau-Main-Kanals von 1836 -1845 und durch den Anschluss an die Nord-Süd-Bahn wurde Bamberg zu einem Verkehrsknotenpunkt. Obwohl für die gesamte Stadterweiterung ein Generalplan vorlag, wurde das Hainviertel dennoch anhand von Einzelplänen gebaut.
Am 4.Juli 1862 wurden die ersten Baugesuche von den jüdischen Kaufleuten Emanuel Dessauer und Nathan Rosenwald, die auf dem schon erworbenen „Dangelgarten“ zwei Villen mit Hopfendarren errichten wollten, beantragt. Dies waren die ersten Schritte zur weiteren Bebauung. Die Straßenführung verlief geradlinig und parallel. Erst am Ende des Jahrhunderts kamen auch andere Straßenführungen dazu.


Bevölkerungsstruktur in Hainstraße und Schützenstraße um 1878

Die Bebauung war relativ einheitlich, was darauf schließen lässt, dass die meisten Hauseigentümer aus derselben sozialen Schicht, dem Großbürgertum kamen. Im Gegensatz zur Schützenstraße, wo hauptsächlich Familien- und Mietshäuser vorhanden waren, dominierten in der Hainstraße die Einfamilienhäuser und Villen.
Im Haingebiet gab es viele verschiedene Berufsgruppen. Einen wesentlichen Teil machten die Hopfenhändler aus, die vorwiegend jüdische Kaufleute waren.
Man kann unterscheiden zwischen rein komissionären Hopfenhandlungen, Großhändlern, die eine eigene Darre, große Lager und Agenturen oder Filialen im Ausland hatten und einfach spekulierenden Kaufleuten. Den jüdischen Hopfenhändler entstammen auch einige Gründer von Großbrauereien und Mälzereien, die die bambergerische Wirtschaft vor 1900 beeinflussten.

Der jüdische Bevölkerungsanteil

Im Hainviertel gab es sehr viele Juden, genauer gesagt waren 38,6% der Hauseigentümer Juden, wobei beinahe zwei drittel der gesamten Villen in ihrem Besitz waren. Auf das Stadtgebiet Bamberg bezogen, lag der Bevölkerungsanteil der Juden um 1885 jedoch gerade mal bei 4,1%. Im 1. Distrikt, dem das Haingebiet zugeordnet wurde, lag der jüdische Bevölkerungsanteil bei 9,6%. Man kann dies auf mehrere Faktoren, wie z. B. dem Zusammengehörigkeitsgefühl als Fremdgruppe bzw. der Judenemanzipation im 19.Jhd. zurückführen. Wegen der Abschaffung der Matrikelgesetzgebung 1861 und der darauf folgenden Freizügigkeit, stieg die Zahl der Juden durch eine hohe Landflucht. Um die Entwicklung darzustellen eine kleine Übersicht:

Jahr Anzahl der Einwohner jüdischen Glaubens
1867 708
1871 857
1880 1269
Später unter 1000

Durch Fleiß und Sparsamkeit vergrößerte sich auch der Wohlstand der eingesessenen und zugezogenen Juden, was eine Grundlage für das Bauvorhaben im Haingebiet bildete. Durch die Judenemanzipation öffnete sich die Möglichkeit akademische Titel, wie Kommerzienrat (z. B.Dessauer), zu erwerben und eigene Geschäfte oder Firmen zu gründen. Viele von ihnen gehörten zum Bamberger Großbürgertum. Nach und nach wurden die Juden immer wichtiger für Bambergs Gesellschaft, da viele von ihnen Kultur und Wissenschaft förderten und wichtige Ämter einnahmen.

Das Haingebiet im Nationalsozialismus

Von 1933 bis 1943 sind 66 der jüdischen Bürger verzogen, 443 sind ausgewandert und 228 wurden deportiert. Die NSDAP beschlagnahmte 1934 das Ressource-Gebäude und nutzte es als Parteizentrale. Diese wurde kurz vor dem Einmarsch der US-Armee von der NSDAP gesprengt um die Übernahme zu verhindern und wichtige Akten zu vernichten.
Wegen der Arisierung wurden jüdische Besitzer enteignet, oft mussten sie ihre Häuser an „NSDAP-genehme“ Leute für einen Spottpreis verkaufen.

Nutzung und Bebauung des Haingebiets nach dem 2.Weltkrieg

Auch das Haingebiet, besonders der südliche Teil, wurde von Bombenangriffen nicht verschont. Nach der Kapitulation und Übernahme Bambergs beschlagnahmten Angehörige der US-Armee viele Häuser und Wohnungen und nutzten sie als Unterkünfte.1952 waren noch 28 Anwesen, hauptsächlich spätklassizistische Villen in der nördlichen Hainstraße, im Besitz von Amerikanern. Das Schützenhaus diente als Kasino für Offiziere.
Nach 1955 wurden Bau- und Kriegslücken durch Neubauten gefüllt. An die Stelle der Ressource rückte ein Ärztehaus. Weil der Hopfenhandel durch die Vertreibung und Vernichtung der Juden aus dem Haingebiet verschwand, wurden die ehemaligen Hopfendarren zu Wohnhäusern und Büros umgestaltet (z.B. Nr. 7 und Nr. 20). In der Schützen- und Hainstraße gibt es heute neben Wohnhäusern, größtenteils Dienstleistungsbüros wie Anwaltskanzleien, Versicherungen und Arztpraxen.


Entwicklungen bis heute

Außer dem Bau von 5 Villen in den 80er-Jahren des 19.Jahrhunderts, gab es keinerlei erwähnenswerte Baumaßnahmen im Haingebiet. Um die Hochwasserproblematik in den Griff zu bekommen, wurde 1883 ein Hochwasserfreilegungskonzept, das die Entstehung des Heinrichdamms beinhaltete, entwickelt. Dadurch konnte das Haingebiet 1890 weiter ausgebaut werden. Es entstand eine Verbindung vom Haingebiet zum Bahnhof.
Ein Anfang zur Verbesserung der Infrastruktur war 1902/05 der Bau des Königlichen Kreisarchivs, heute Staatsarchiv, von Fritz Fuchsberger. Das Gebäude erhielt den Stil einer mehrteiligen,schlossartigen Anlage. Die wichtigste Veränderung für die Juden war der Bau der vierten Synagoge. Sie wurde vom Architekten Johannes Kronfuß entworfen und 1910 eingeweiht. Kronfuß hat 1904 auch das Vereinshaus der jüdischen Ressource-Gesellschaft entworfen und fertiggestellt sowie das Warenhaus "H.&C. Tietz". Diese Gesellschaft wurde am Anfang (1827) als „israelitischer Leseverein“ gegründet. Ab 1897 fuhr die elektrische Straßenbahn durch das Haingebiet mit dem Endpunkt am Theresienhain.

Autorin: Julia Daunderer
Quellen:
Fichtl, Franz, Link, Stephan, May, Herbert, Schaible, Sylvia: Bambergs Wirtschaft Judenfrei, Collibri Verlag Bamberg 1998
Eidloth, Volkmar: Das Bamberger Hainviertel, Bamberger Geographische Schriften, Sonderfolge Nr. 3

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Die Villenbauten der Hainstraße

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